24.06.2019 – Moratorium für Planung Dierhagenweg

in der Sitzung des Ausschusses für Anregungen und Beschwerden am 29.5.2019 herrschte zwischen allen Ausschussmitgliedern Konsens über die Tatsache, dass für die Eindämmung des Klimawandels seitens der Stadt Hamm bisher noch zu wenige Maßnahmen ergriffen wurden. Die Resolution zur Ausrufung des Klimanotstandes in der Stadt Hamm wird deshalb zur Beschlussfassung an den Rat weiter gegeben.
Im Rahmen dieser Resolution verpflichtet sich die Stadt Hamm, jede ihrer Entscheidungen auf mögliche klimarelevante Auswirkungen zu überprüfen und Maßnahmen, welche den Klimawandel abschwächen, den Vorzug zu geben.
Mit Aufstellungsbeschluss vom 1.10.2018 (Vorlage Nr. 1592/18) und Rahmenplanung (Vorlage Nr. 1017/16) hat der Rat der Stadt Hamm mit Beschluss am 21.5.2019 die Grundlage für den Bebauungsplan Nr. 03.064 – Neues Wohnen am Dierhagenweg – gelegt. Darin wird als zentrales Handlungsfeld die Errichtung eines Wohnbaugebiets auf einer Fläche von über 50 ha benannt. Dies ist der größte überplante städtebauliche Entwicklungsbereich überhaupt in Hamm.
In den genannten Beschlüssen finden sich keinerlei Hinweise auf mögliche klimarelevante Auswirkungen des geplanten Baugebiets.
Die Stadt Hamm hat zum Zeitpunkt der Aufstellungs- und Rahmenplanungsbeschlüsse noch keine Prüfung klimaschädlicher Folgen und keine Priorisierung möglicher Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels vorgenommen. Angesichts der Größe des Baugebiets und der Bedeutung für ganz Hamm ist es dringend geboten, dies im laufenden Verfahren zu berücksichtigen.
Wir beantragen daher, das Verfahren auszusetzen, auf mögliche klimaschädliche Auswirkungen zu überprüfen und dabei folgenden Leitlinien eine stärkere Gewichtung als bisher zu geben:
Bedarfsorientierung bekommt Vorrang vor politisch motivierter Ausrichtung. Begründung:

  • Auf den 50 ha Boden werden zwischen 1.000 und 1.500 Einfamilienhäuser entstehen. Dort können zwischen 5.000 und 7.000 Menschen wohnen. Westtünnen hat derzeit weniger Einwohner, Rhynern ebenfalls. Selbst der Maxipark hat nur halb so viel Fläche.
  • Im Handlungskonzept „Wohnen und Pflege 2025“ wird für ganz Hamm ein jährlicher Bedarf von ca. 250 bis 400 zusätzlichen Wohneinheiten errechnet. Wenn auf den Bezirk Rhynern ein Siebtel davon entfällt, wäre allein mit dem Baugebiet am Dierhagenweg theoretisch sein Bedarf für die nächsten 35 Jahre gedeckt. In der Realität ziehen in den Bezirk Rhynern jedes Jahr aber nur 57 Menschen (siehe Stellungnahme 1641/19). Gleichzeitig schrumpft die Bevölkerung. Jedes Jahr verliert Hamm über 300 Einwohner. Fazit: Es gibt im Bezirk Rhynern keinen Bedarf für ein Baugebiet dieser Größe.
  • Der inhaltliche Rahmen des neuen RVR Regionalplans ist eine Vorgabe der Landesregierung. Begleitend beschloss der Rat der Stadt Hamm die Mobilisierung umfangreicher Wohnbauflächen. Diesem politischen Willen ordnet sich insbesondere die Ausweisung eines 50 ha großen Baugebiets unter.

Dem Flächensparziel der Bundesregierung wird Vorrang vor Vorgaben der Kommune und Landesregierung eingeräumt. Begründung:

  • Derzeit werden in Deutschland ca. 58 ha pro Tag als Siedlungsfläche neu ausgewiesen. Mit einem einzigen Baugebiet erledigt die Stadt Hamm den gesamten Flächenverbrauch von ganz Deutschland. Die Bundesregierung verfolgt im Rahmen ihrer Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie eine Reduzierung der täglichen Neuinanspruchnahme der Siedlungsflächen auf 30 Hektar. Die Stadt Hamm konterkariert die Erreichung dieses nationalen Ziels durch die Ausweisung des 50 ha großen Baugebiets am Dierhagenweg erheblich.
  • Der steigende Flächenverbrauch hat im Bezirk Rhynern ökologische Auswirkungen. Der Bereich des Baugebiets ist Frischluftschneise für Hamm. Landwirtschaftliche Böden, naturnahe Flächen und damit die biologische Vielfalt gehen unwiderruflich und in großem Ausmaß verloren. Die Aufnahme von Niederschlagswasser wird durch die Bodenversiegelung eingeschränkt, die Hochwassergefährdung steigt. Hier besteht am Dierhagenweg ein ausgeprägtes Problem.
  • Der steigende Flächenverbrauch hat im Bezirk Rhynern vor allem aber direkte ökonomische Auswirkungen. Weil der Landwirtschaft 50 ha weniger Ackerland zur Verfügung stehen, werden sich die Pachtpreise erheblich erhöhen. Wenn 1.000 – 1.500 neue Einfamilienhäuser auf den Markt kommen, erleiden zahlreiche der Gebrauchtimmobilien aus den 50er, 60er und 70er Jahren im Bezirk Wertverluste. Leerstände der Altbauten sind angesichts des bevorstehenden Bevölkerungsrückgangs ebenso wenig auszuschließen wie die Verödung des Ortszentrums von Westtünnen. Die Bundesregierung begründet ihr Flächensparziel mit genau diesen negativen Folgen einer exzessiven Flächeninanspruchnahme (siehe Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung).

Wir bitten Sie deshalb, die Planungen für dieses Baugebiet zurück zu stellen. Sicherlich wird dem Bezirk Rhynern aber im Bereich des Dierhagenwegs ein am tatsächlichen Bedarf orientiertes Baugebiet mit maximal 20 Wohneinheiten nutzen und dem Flächensparziel der Bundesregierung ebenso entgegen kommen wie den in der Resolution genannten Klimaschutzzielen.