In Hamm sind nur 8,8 Prozent der Gesamtfläche mit Wald bedeckt.
Damit gehört Hamm zu den Städten mit der geringsten Fläche Wald in NRW. Der Durchschnitt liegt in NRW laut Statistischen Landesamt NRW bei 24,8 Prozent. Zum Vergleich: Allein Siedlungs- und Verkehrsflächen nehmen in Hamm bereits 33,1 Prozent ein, die Landwirtschaft gar 52,9 Prozent. Erholungsflächen hat Hamm sogar nur 3,5 Prozent
Umso besser, dass es den Papenloh-Wald mitten in Rhynern gibt.
Eigentümer sind die katholische Kirchengemeinde und die Stadt Hamm. Der Papenloh hat rechtlich gesehen den Status eines Waldes (§2 Bundeswald- bzw. § 1 Landesforstgesetz NRW). Hier besteht ein Naturhaushalt mit eigenem waldtypischen Innenklima. Die Bäume bilden mit ihren Kronen ein geschlossenes Dach. Laut europäischen Recht ist ein Wald erst ein Wald, wenn das Verhältnis der durch Baumkronen überdachten Fläche zur Gesamtfläche mehr als 10 Prozent beträgt und die Gesamtfläche mindestens 0,5 ha groß ist. Der Papenloh ist mehr als zehnmal größer.
Unter Rhyneranern ist der Papenloh sehr beliebt.
Radfahren, laufen, spazieren gehen, chillen: All dies kann man in dem zentral gelegenen Waldstück. Eine Umfrage des WA (3.11.2016) brachte ans Licht, dass die meisten Rhyneraner den Wald sogar noch vergrößern wollen. Dieser Wunsch kann nach Aufgabe des Sportplatzes des SV Westfalia Rhynern in die Tat umgesetzt werden.
Aber: Der Waldzustand in NRW hat sich weiter verschlechtert.
Nur jeder fünfte Baum ist gesund. Das wirkt sich besonders im Kronenbereich aus. 42 Prozent der Bäume weisen eine deutliche Kronenverlichtung auf. Auch und gerade Eichen sind betroffen: Nur 12 Prozent der Eichen zeigen keine Kronenverlichtung. Nach Saurem Regen und heftigen Stürmen sind es aktuell die große Hitze, Trockenheit und Schädlinge, die dem Wald massiv zusetzen. Die Mehrfachbelastungen verstärken das Waldsterben. Dazu NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser: „Unser Wald ist krank, er braucht unsere Hilfe im Klimawandel.“ Die Wiederbewaldung hat somit höchste Priorität. Die NRW-Politik ruft den politsch-gesellschaftlichen Kraftakt auf, um die aktuelle Waldkrise zu überwinden. Die Entwicklung klimastabiler Mischwälder steht im Vordergrund. Für die kommenden 10 Jahre gibt es vom Land NRW Fördermittel in Höhe von 100 Millionen Euro, vom Bund 547 Millionen Euro. Heinen-Esser: „Die Waldzukunft ist eine Gemeinschaftsaufgabe.“
Im Papenloh dagegen fällt der Wald der Kettensäge zum Opfer.
Wer an der Lohschule Richtung Osttünnen fährt, bemerkt auf der linken Seite direkt vor dem Papenloh den Neubau eines Einfamilienhauses. Das Haus ist groß, das Grundstück dagegen klein. Das Gebäude steht beinahe schon im Wald, denn die mächtigen Stämme der Eichen des Papenloh sind fast auf der Grenze und strecken ihre Zweige eigentlich weit in das Baugrundstück hinein. Aber das ist Vergangenheit, denn die Eichen wurden auf der Gebäudeseite vollständig entastet. Es steht zu befürchten, dass die Bäume diesen Radikalschnitt nicht überstehen werden. Damit ist der Waldrand, der den Papenloh vor Hitze, Wind und Wetter schützen soll, geschädigt. Hier ist mittelfristig mit Folgeschäden an weiteren Bäumen zu rechnen. Der Baumbestand wird vernichtet, anstatt aufgeforstet. Was ist hier los?
Warum wurde direkt am Wald überhaupt eine Baugenehmigung erteilt?
Grundsätzlich gilt: Die Bebauung muß mindestens 30 m Abstand von der Waldfläche halten. Das Gebäude steht hier jedoch nur fünf Meter vom nächsten Eichenstamm entfernt. 30 m sind eine zu erwartende Länge, wenn ein Baum zum Beispiel im Sturm fällt. Was ist mit den Gefahren für Personen durch Windwurf oder -bruch, durch Waldbrand? Wer garantiert, dass im schlimmsten Fall die Bäume nicht auf den Neubau stürzen oder sich ein Waldbrand auf das Haus ausdehnt? Im Übrigen gehen für den Wald selbst auch Brandgefahren von den elektrischen Anlagen und Tätigkeiten der Bewohner des Hauses aus. Wie risikoreich ist eigentlich der Feuerkorb auf der Terrasse jetzt für den Papenloh-Wald? Die Pufferzone von 30 m ohne jegliche Bebauung hat ihren Sinn. Wie kann diese in NRW allgemein übliche Pufferzone aus forstrechtlicher Sicht abdingbar sein? Was soll an diesem Grundstück weniger gefährlich als am Rest des Waldrandes sein?
Bei dieser Form der grenznahen Bebauung können Gefahren durch den Wald nicht ausgeschlossen werden.
Der Wald stellt für die Bewohner der Bebauung eine besondere Gefahrenquelle dar. Die Katholische Kirchengemeinde, der der Wald an dieser Stelle gehört, ist nun in ihren Eigentumsrechten eingeschränkt und muß eine besonders aufwändige Verkehrssicherungspflicht wahrnehmen. Sie kann das eigentlich nur, wenn alle Waldbäume im Umkreis des Neubaus von 30 m gefällt werden. Mindestens entstehen ihr aber erhöhte Aufwendungen bei der Bewirtschaftung des Waldes. Ganz klar ist hier mit der Baugenehmigung durch das Stadtbauamt das Rücksichtnahmegebot gegenüber der katholischen Kirchengemeinde verletzt, denn der Kirchengemeinde entsteht ein Schaden an ihrem Wald, also an ihrem Eigentum. Außerdem ist sie dem Bauherrn schadensersatzpflichtig, wenn Bäume auf sein Grundstück fallen und zum Beispiel Schäden am Gebäude verursachen. War der katholischen Kirchengemeinde eigentlich bewußt, dass sie die Verantwortung und auch die Kosten für die erhöhte Gefahrenlage übernimmt, als sie entschieden hat, der geplanten Bebauung zuzustimmen und ihren Abwehranspruch nicht auszuüben? Wenn sie den Schadensersatzanspruch nicht an den Bauherrn übertragen hat, ist die katholische Kirchengemeinde in der Kostenfalle. Wer kommt für den Schaden auf?
Einsamer Gewinner: Der Bauherr
Er hat das Grundstück nicht als Bauland, sondern als Gartenland gekauft. Ein Schnäppchen. Wenn die katholische Kirchengemeinde ihm nicht den Schadensersatzanspruch übertragen hat, muß er keine Kosten für die Waldgefahren tragen. Er hat es geschafft, trotz einer sehr kleinen Grundstücksfläche die Baugenehmigung für einen sehr großen Baukörper zu bekommen. Er ist der Einzige, der die 30 m Pufferzone zum Wald nicht einhalten muß. Immer wieder erklärten Stadtsprecher, die Nähe zum Wald lasse eine Wohnbebauung auf dem Sportplatz des SV Westfalia im Papenloh nicht zu. Was also zeichnet dieses Baugrundstück aus, dass mögliche Gefahrenlagen ausradiert werden?
Die Verlierer: Wir alle
Der Papenloh-Wald ist angegriffen. Durch den Klimawandel, aber auch durch die Lockerung der Baugenehmigungspraxis. Die Folge: der Wald wird weniger, anstatt mehr. Wenn wir den Wald erhalten und sogar noch vergrößern wollen, müssen wir handeln, anstatt zu reden. Solche Baugenehmigungen dürfen sich nicht wiederholen. Alle Fördermittel sind konsequent zur Stärkung des Waldes zu nutzen. Neue Flächen für neuen Wald sind zu erwerben. Dafür muß Geld in den städtischen Haushalt eingestellt werden. Und wir müssen die Entscheidung darüber treffen, ob wir den Wald intensiv bewirtschaften wollen, oder auf eine Nutzung stärker als bisher verzichten wollen und dadurch die biologische Vielfalt fördern wollen. Ausreichend Brut- und Nahrungsstätten für viele Tier- und Pflanzenarten entstehen nur in unbewirtschafteten Wäldern. Als Erholungsort für die Menschen eignen sich Naturwälder genau wie bewirtschaftete Wälder. Bisher ist in Hamm wenig passiert. Was wir brauchen, ist Mut.
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