27.11.2018 – Kinderarmut in Hamm bekämpfen

Haushaltsrede von Petra Grünendahl (GRÜNE Ratsfrau) im Kinder- und Jugendhilfeausschuss:
In Deutschland nimmt die Armut zu, und verfestigt sich!
Das betrifft schätzungsweise ein bis zwei Millionen Menschen, mit ihren Kindern. Viele Menschen, die so arm sind, dass sie einen Anspruch auf staatliche Unterstützung hätten, beantragen diese aber erst gar nicht. Sie tun das nicht, weil sie sich schämen! Denn unser Unterstützungssystem ist auf Demütigung ausgerichtet. Hartz IV ist ein Stigma!
Eine Politik die dafür sorgt, dass Menschen insbesondere Eltern und Alleinerziehende mit Kindern sich für ihren Anspruch auf staatliche Leistungen schämen, verliert die Menschen.
Wir müssen Menschen aus der Armut herausholen, Kinder dürfen nicht stigmatisiert werden. Wenn Eltern und Mütter arbeitslos werden, dann dürfen sie nicht in die Würdelosigkeit fallen.
Auch in Hamm wächst die Ungleichheit nach wie vor – und am stärksten betroffen sind auch hier die jüngsten Mitglieder unserer Stadt. Nach wie vor kommt jedes vierte Kind in Hamm aus einem finanziell armen Haushalt. Die Armut von Kindern ist Familienarmut, aber eben oft auch Mütterarmut.
Tendenziell ist hier keine nennenswerte Verbesserung in Sicht.
Viele Unterstützungsmaßnahmen in diesem Bereich kreisen überwiegend um die Familie.
Die Kosten im Bereich Kinder, Jugend und Soziales machen deshalb im städtischen Haushalt mehr als die Hälfte aller Ausgaben aus. Die Stadt wendet in diesen Bereich scheinbar viel Geld auf. Es ist jedoch auch eine Wahrheit, dass von den vielen Millionen nur ein geringer Ansatz tatsächlich von der Stadt selber finanziert wird, denn 80% der Mittel kommen aus Bundes-, Landes- und EU-Mitteln.
Der Abbau von Kinderarmut ist aber auch eine Querschnittsaufgabe, die alle politischen Bereiche einbezieht und nicht allein Aufgabe der Eltern oder Alleinerziehenden ist.
Deshalb fordern wir, Bündnis 90/Die Grünen:
Die Erwerbstätigenquote insbesondere der armutsgefährdeten  Alleinerziehenden in dieser Stadt durch geeignete arbeitsmarktpolitische Maßnahmen – wie Weiterbildung oder Qualifizierung in Teilzeit- sowie Betreuungsangebote für die Kinder noch weiter zu erhöhen.
Projekte der Digitalwirtschaft und im Bereich der Bildung, Wissenschaft und Technik müssen in den Fokus der Wirtschaftsförderung gerückt werden.
Und nicht neue Hochregallager vor den Toren der Stadt.
Die alleinige Ausrichtung auf ein oder zwei Industriebereiche – wie früher die Kohle und Montanindustrie – jetzt flächenfressende Logistik und Warenwirtschaft  im niedrigeren Lohnsegment haben nicht zur Verbesserung der Armutsverhältnisse beigetragen.
Wir brauchen mehr qualifizierte Arbeitsplätze in Hamm!!!
Je mehr Betriebe unterschiedliche Jobs anbieten, desto höher steigt das Lohnniveau.
Wir brauchen also eine andere Art von Wirtschaftsförderung.
Wir brauchen in sozial benachteiligten Stadtteilen eine andere Art von Bildung und eine andere Art von Stadtentwicklung. Erst dann werden hoffentlich Hilfsangebote wie die Hammer Tafel und die Armenküchen endlich überflüssig.
Wir fordern eine noch intensivere Auseinandersetzung mit den Gründen für Kinderarmut über alle Professionen, Parteigrenzen und Lebensbereiche hinaus. Und damit einhergehend, die Entwicklung von stadtteilbezogenen Handlungsstrategien für alle Lebensbereiche.
Wir fordern die Weiterentwicklung und Weiterfinanzierung von gut funktionierender Projekte und Maßnahmen, statt der ständigen Neuauflage neuer Projekte!
Es ist nicht zu leugnen, dass es nach wie vor ein starkes Bildungsgefälle in dieser Stadt gibt. Daher bleibt eine unserer
Forderungen, die Abhängigkeit des Schulerfolgs von der sozialen Herkunft der Kinder zu verringern!
Die Gesellschaft kann es sich nicht mehr leisten, sozial benachteiligte Kinder zurückzulassen.
Hier sollte beispielsweise gut funktionierende Konzepte wie der Einsatz von
„Elternbegleiter“, die Familien in ihren Kompetenzen stärken Bildungsanregungen zu vermitteln und die „flexiblen erzieherischen Hilfen“, welche in Bockum-Hövel erfolgreich durchgeführt werden, ausgeweitet und auf andere Stadtteile übertragen werden.
Hier werden Kinder aus benachteiligenden Lebenssituationen schon frühzeitig  durch zusätzliches Personal in ihrer schulischen Entwicklung unterstützt, sodass sie eine sichere Grundlage für die weiterführende schulische Laufbahn und spätere berufliche Ausbildung erlangen können.
Es gelingt hier, Leistungsstand und Lernmotivation sozial benachteiligter Kinder durch eine kontinuierliche und langfristige Förderung bereits in der Grundschule deutlich anzuheben und die Kinder in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und ihrem Sozialverhalten zu stärken.
Ein weiteres scheinbar erfolgreiches Projekt ist die „Weiterentwicklung der Eingliederungshilfen“.
In Anlehnung an die Beschlussvorlage vom Juni 2016 über das Projekt fordern wir, die dort schon beschlossene Vorgabe des Einsatzes von qualifizierten Fachkräften im Bereich der Integrationshilfen. Denn gerade die vom Sozialamt finanzierten Integrationshelfer für z.B. körperlich und geistig behinderte Kinder sollten über eine hohe fachliche Qualifikation verfügen und nicht mit geringqualifizierten Fachkräften besetzt sein.
Auch hier fordern wir dir Ausweitung und Übertragung des Projekts auf andere Stadtteile.
Die Orientierung an den jüngsten und schwächstem Mitglieder in dieser Gesellschaft sollte das Ziel dieses Ausschusses sein und an ihrem Wohlergehen sollten wir uns messen lassen.